In der Reaktion auf die Medieninformation unserer Kanzlei vom 25.08.2011 hat es eine Reihe von Gesprächs- und Veranstaltungsanfragen von unterschiedlichster Seite gegeben. Bei der Zusammenstellung der Inhalte für eine dieser Veranstaltungen habe ich bei einem Aspekt noch einmal näher hingesehen, der schon einmal Thema war:
Bereits an anderer Stelle hatte ich die Auffassung vertreten, dass die schleswig-holsteinische Datenschutzbehörde ULD zur Verhängung von Bußgeldern gem. § 16 Abs. 3 TMG als Reaktion auf Verstöße gegen § 15 Abs. 3 TMG mangels gesetzlicher Grundlage nicht befugt sei.
Das ULD ging auf diesen Vorwurf inhaltlich im Rahmen einer zu dieser Frage formulierten Aktualisierung seiner „Facebook-FAQ“ ein. In der dortigen Stellungnahme zu dieser Problematik führt es seitdem aus, es sei zu einer entsprechenden Ahndung befugt, da es wegen eines durch § 45 Abs. 1 LDSG-SH gesetzlich geregelten Aufgabenübergangs „fachlich zuständige oberste Landesbehörde” i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 2a OWiG geworden sei.
Dass das ULD gem. § 59 Abs. 1 RStV die Aufgabe hat, für seinen Bereich die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen des Telemediengesetzes zu überwachen, ist unstreitig. Aus dieser Aufgabe folgt aber nicht schon automatisch auch die Befugnis zur Verhängung von Bußgeldern.
Die richtet sich hier, wie das ULD selbst richtig ausführt, ausschließlich nach § 36 Abs. 1 Nr. 2a OWiG. In der Antwort auf die Frage „Ist das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz für […] die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Telemediengesetz zuständig?“ heißt es zunächst noch zutreffend:
„Gemäß Ziffer 3.5.2 der Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeitsverordnung (OWi-ZustVO) ist das ULD zuständig für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gemäß § 43 BDSG. Eine Zuweisung der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Telemediengesetz (TMG) wurde in die OWi-ZustVO nicht aufgenommen. Daher richtet sich die Zuständigkeit für den Erlass von Bußgeldern nach den allgemeinen, im Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten (OWiG), dort § 36 Nr. 2 a) OWiG bestimmten Grundsätzen. Danach ist die fachlich zuständige oberste Landesbehörde zuständig.“
Auch die weitere Begründung ist im Ausgangspunkt noch richtig:
„Für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten gemäß § 16 TMG besteht für das Land Schleswig-Holstein eine geteilte Zuständigkeit. Die Ahndung von Verstößen gegen die Impressumspflicht nach § 16 Abs. 1 und 2 Nr. 1 TMG obliegt gemäß § 38 Abs. 6 Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 13. Juni 2006 (Medienstaatsvertrag HSH) der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH).“
Es folgt dann jedoch der m.E. entscheidende Fehlsch(l)uss:
„Für die Ahndung der restlichen Ordnungswidrigkeiten ist damit das ULD zuständig, da in § 45 Abs. 1 LDSG-SH die Aufgaben des Innenministeriums auf das ULD im Bereich des Datenschutzes übergegangen sind.“
Die Grundaussage (OWi-Ahndungsbefugnis des ULD im Anwendungsbereich des TMG) und die Begründung sind gleichermaßen falsch:
(1) Oberste Landesbehörden sind
die Landesregierung,
die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident,
die Ministerien sowie
der Landesrechnungshof.
(2) Zur Entlastung der obersten Landesbehörden von Verwaltungsarbeit können Ämter gebildet werden, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sind, aber Bestandteile der obersten Landesbehörden bleiben. Diese Ämter müssen aus ihrer Behördenbezeichnung die oberste Landesbehörde erkennen lassen, der sie zugeordnet sind.
Das ULD also schon mal nicht. Man beruft sich nun aber ja auf folgende (landes-)gesetzliche Regelung:
(1) Die am 30. Juni 2000 dem bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages eingerichteten Landesbeauftragten für den Datenschutz sowie der Datenschutzaufsichtsbehörde im Innenministerium obliegenden Aufgaben gehen am 1. Juli 2000 auf die Anstalt über.
Im Ausgangspunkt kann der Aufgabenübergang (welche Aufgaben eigentlich genau?!) jedenfalls schon mal nicht dazu führen, dass aus dem ULD plötzlich eine „oberste Landesbehörde“ wird: Das ULD (=“die Anstalt“) kann nicht mehr Rechte „geerbt“ haben, als die „Rechtsvorgänger“ – der Landesbeauftragte für den Datenschutz (beim Landtagspräsidenten = keine oberste Landesbehörde) & die Datenschutzbehörde im Innenministerium – selbst innehatten. Und diese waren ihrerseits gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 LVwG-SH nur unselbständiger Bestandteil der (obersten) Landesbehörde, der sie jeweils zugeordnet waren, nicht aber selbst eine oberste Landesbehörde.
Während für den Bereich des BDSG recht klar durch die gesetzliche Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 1 LDSG-SH die Überwachungsaufgabe des ULD im schleswig-holsteinischen Landesrecht verankert ist, bleibt im Falle des § 45 Abs. 1 LDSG SH für den Rechtsanwender & -unterworfenen völlig unklar, was von dieser Regelung eigentlich umfasst ist.
Für die Rechtfertigung der Aufgabenwahrnehmung auch der TMG-Überwachung durch das ULD „retten“ das die oben erwähnten Regelungen im RStV bzw. Medienstaatsvertrag HSH.
Es gilt allerdings der verwaltungsrechtliche Grundsatz, demzufolge Aufgabe und Befugnis hinsichtlich der erforderlichen Rechtsgrundlage für behördliches Handeln stets strikt zu trennen sind. Folgerichtig haben andere Bundesländer, wie z.B. Hamburg durch entsprechende Anpassung ihrer Landeszuständigkeitsverordnungen an die neu geschaffenen OWi-Tatbestände des TMG für den erforderlichen formellen Gleichklang ziwschen Überwachungsaufgabe und ordnungsrechtlicher Ahndungsbefugnis gesorgt.
Die Tatsache, dass die „am 30.06.2000 bestehenden Aufgaben„ des Landesbeauftragten für den Datenschutz bzw. der beim Innenministeriums angesiedelten Datenschutzbehörde durch § 45 LDSG-SH auf das ULD übergegangen sind, besagt daher allein noch nichts über die Bußgeldbefugnis des ULD bei Verstößen gegen § 16 Abs. 2 Ziff. 2-5 TMG.
Die Ahndungsbefugnis in Bezug auf private Stellen kann sich zum Zeitpunkt des Aufgabenübergangs allenfalls auf die Bußgeldvorschriften des BDSG, nicht jedoch die des TMG erstreckt haben, denn das TMG gab es damals noch nicht. Auch die Regelungen über (den Datenschutz bei) Telemedien im RStV existierten im Jahr 2000 noch nicht, sondern wurden erst 2007 geschaffen. Unabhängig hiervon dürfte es im Falle eines auf § 45 Abs. 1 LDSG SH gestützt wegen eines Verstoßes gem. § 16 Abs. 2 Ziff. 5 TMG erlassenen Bußgeldbescheides schon grundsätzliche Schwierigkeiten mit dem Bestimmtheitsgrundsatz geben.
Es bleibt schwierig…