Wird eine 30 Jahre alte Äußerung des Betroffenen wiedergegeben und zur Grundlage einer Meinungsäußerung gemacht, ohne darauf hinzuweisen, dass der Betroffene sich – wie dem Äußernden bekannt ist – von der Äußerung distanziert hat und auf ein Missverständnis hinweist, kann die Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung anzusehen sein, da sie wesentliche Tatsachen verschweigt, die beim unbefangenen Durchschnittsleser zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätten führen können.
Eine Distanzierung des Betroffenen kann auch bei begrenzter Zeichenzahl zumindest schlagwortartig wiederzugeben sein.
Es entlastet den Äußernden auch nicht, wenn er ein Medium wählt, in dem nur sehr kurze Textbeiträge möglich sind, wenn in diesem eine für das Persönlichkeitsrecht hinreichende Information des Durchschnittslesers nicht möglich ist.
Bei der Bewertung, ob eine Meinungsäußerung zulässig oder unzulässig ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Die Bezeichnung einer bekannten Politikerin in einer öffentlichen, kontrovers geführten Debatte von hohem öffentlichem Interesse als „abartige Person“ unter Bezugnahme auf eine Berichterstattung mit einer Äußerung der Politikerin kann als noch von der Meinungsfreiheit gedeckte Meinungsäußerung zulässig sein.
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.01.2020, 2-03 O 142/19