[Beitrag in „COMPUTER UND ARBEIT“ – Fachzeitschrift für Betriebs- und Personalräte zu EDV-Einsatz, Mitbestimmung und Datenschutz – Oktober 2003]
Jan A. Strunk
Sind wir schon drin? Das war ja einfach!
Der Anspruch des Betriebs-/Personalrats auf Internetzugang und Präsenz im Internet
Personal Computer sowieso, inzwischen aber auch Internet und E-Mail sind aus dem Alltag von Firmen und Behörden kaum noch wegzudenken. Innerbetriebliche und betriebsübergreifende Kommunikation sind im Geschäftsleben anerkanntermaßen wichtige Mittel zur Effizienzsteigerung – und auch Betriebs- und Personalräte haben deren Nützlichkeit für die eigene Arbeit längst erkannt.
Insbesondere dem Internet kommt angesichts von etwa 30 Millionen deutschen Privatnutzern als inzwischen nahezu ›sozialübliches‹ Medium zur raschen Informationsbeschaffung und -verbreitung eine unumstritten hohe praktische Bedeutung auch für die Arbeit einer Arbeitnehmerinteressenvertretung zu.
Neben der Fülle von Informationsanbietern, die sich – mehr oder weniger professionell und/oder kommerziell – inzwischen an die Zielgruppe Betriebs-/Personalräte wenden, sind es insbesondere auch die Gewerkschaften, die für ihre Mitglieder und deren Interessenvertreter umfangreiche Online-Auftritte vorhalten und ihre gesetzliche Unterstützungsfunktion (zunehmend ausschließlich) auf diesem Weg erfüllen.
Und die Informationssuche wird (nicht nur) Neulingen und Gelegenheitsnutzern von so ›mächtigen‹ Suchmaschinen wie zum Beispiel ›Google‹ oder ›Altavista‹ enorm erleichtert. Auf diesem Weg lässt sich fast alles finden – und oft sogar das, was man sucht …
Soll nun die Nutzung dieser neuen Medien zur Informationsgewinnung für den engagierten Betriebs-/Personalrat nicht finanziell ein ›Privatvergnügen‹ bleiben, stellt sich im Betrieb recht schnell die Gretchenfrage, ob ein Anspruch auf eine entsprechende Ausstattung besteht und wie weitreichend die Nutzungsbefugnisse sind. Entsprechendes gilt, wenn es um die Außendarstellung der Betriebs- / Personalratsarbeit und die Kommunikation etwa mit den Beschäftigten oder auch innerhalb des Gremiums geht.
In der Praxis zeigt sich dabei allerdings, dass es im Widerspruch zum Motto dieses Beitrags für den Betriebs-/Personalrat zuweilen ganz und gar nicht einfach ist, ›reinzukommen‹: Oft wird nach wie vor versucht, die Interessenvertretung für den Zweck der Belegschaftsinformation auf herkömmliche Alternativen wie Rundschreiben, Schwarze Bretter, Telefax und Betriebsversammlungen zu verweisen, oder auf Fachbücher, Zeitschriften und ähnliches, wenn es um die eigene Fortbildung geht.
Das ist natürlich prinzipiell nicht neu. Entsprechende Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Interessenvertretungen der Arbeitnehmer hat es stets gegeben, wenn eine neue Kommunikationstechnik auch für die Betriebs- oder Personalratsarbeit genutzt werden sollte. So waren die Nutzung von Telefonanlagen, Anrufbeantwortern, Telefaxgeräten und Mobiltelefonen ebenso Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen wie die späteren Fragen, ob der Betriebsrat eigentlich einen Anspruch auf die Überlassung eines PC für seine Arbeit oder auf die Möglichkeit zur E-Mail-Kommunikation hat.
Vor etwa fünf Jahren entschied dann auch erstmals ein Arbeitsgericht über die Frage, ob dem Betriebsrat die Einrichtung einer Homepage im internen Firmen-Netzwerk (Intranet) zusteht – was in dem konkreten Fall seinerzeit bejaht wurde.
Seither haben sich nicht nur die technischen Möglichkeiten – bei gleichzeitig drastisch gesunkenen Nutzungsgebühren – enorm entwickelt, auch die damals hauptsächlich berührte Problematik einer effektiveren innerbetrieblichen Kommunikation hat sich insbesondere durch die rasante Verbreitung der Internet-Privatnutzung deutlich in Richtung Informationsbeschaffung und -vermittlung verlagert.
Bei den aus Arbeitgebersicht gegen eine Internet-Nutzung durch den Betriebsrat bestehenden Bedenken spielen Sachargumente, wie etwa befürchtete Mehrkosten oder Sicherheitsaspekte, übrigens eine eher untergeordnete Rolle.
Mehr oder weniger offen ausgesprochen geht es hier tatsächlich vor allem oder sogar ausschließlich ›ums Prinzip‹:
Wie heißt es? ›Wissen ist Macht› (und ›Wissen, wie man’s macht‹, offenbar erst recht) – und da will man es dem Betriebsrat nicht ›zu einfach‹ machen.
So auch in dem Fall des Unternehmens, das mit dieser Frage vor kurzem zunächst das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in zwei Beschlussverfahren und im Anschluss dann das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigt hat.
Das LAG Schleswig Holstein erteilte dabei einer ›Verweigerung aus Prinzip‹ eine deutliche Absage und entschied in beiden Sachverhalten zugunsten des Betriebsrats, dem das Unternehmen den Zugang zum Internet ermöglichen müsse und dessen ins betriebliche Intranet eingestellte Beiträge das Unternehmen auch nicht einseitig sperren oder gar löschen dürfe. Beide Entscheidungen sind vor wenigen Wochen durch das BAG bestätigt worden.
Die den Entscheidungen zugrunde gelegten Erwägungen sollen daher im Folgenden dazu dienen, die gegenwärtige Rechtslage zu skizzieren:
Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber für die laufende Geschäftsführung des Betriebsrats in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Büropersonal und – neuerdings ausdrücklich erwähnt – auch Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen.
Das BAG hat in seiner jüngsten Entscheidung nun dazu ausdrücklich festgestellt, dass zu den im Gesetz erwähnten Sachmitteln auch der Zugang zum Internet zählt, mit dessen Hilfe sich der Betriebsrat umfassend und schnell über aktuelle arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Fragen informieren könne, sowie auch die Möglichkeit, durch Veröffentlichungen im betrieblichen Intranet die gesamte Belegschaft umfassend und rechtzeitig über seine Tätigkeit im Rahmen der ihm obliegenden gesetzlichen Aufgaben zu unterrichten.
Entsprechendes dürfte auch für die Personalratsarbeit in öffentlichen Dienststellen gelten:
In der dem § 40 BetrVG entsprechenden gesetzlichen Regelung, dem § 44 Abs. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), fehlt zwar die mit dem Betriebsverfassungs-Reformgesetz 2001 ausdrücklich aufgenommene Erwähnung der ›Informations- und Kommunikationstechnik‹. Es wird aber allgemein davon ausgegangen, dass diese Ergänzung im BetrVG keine erweiternde, sondern lediglich eine klarstellende Funktion hat, so dass sich aus dem Fehlen dieser Begriffe im BPersVG keinesfalls der Schluss ziehen lässt, Informations- und Kommunikationstechnik seien hier nicht erfasst.
Auch bei E-Mail, Internet, Intranet oder neuerdings auch noch ›Instant Messaging‹ handelt es sich also um ›Geschäftsbedarf‹ im Sinne des § 44 Abs. 2 BPersVG (was dem Begriff der ›Sachmittel‹ in § 40 BetrVG entspricht). Diese technischen Möglichkeiten sind daher zur Verfügung zu stellen, soweit sie zur sachgerechten Aufgabenerfüllung erforderlich und angemessen sind.
An den Merkmalen ›erforderlich‹ und ›angemessen‹ scheiden sich nun allerdings die Geister:
Das, was der Betriebsrat für erforderlich und angemessen hält, lässt sich nach Auffassung des Arbeitgebers häufig mit alternativen Mitteln mindestens ebenso gut erledigen – was ja auch tatsächlich in vielen Fällen nicht gänzlich falsch ist. Und im Hinblick auf den Zugang zu Online-Medien half dem Betriebsrat nach der bisherigen BAG-Rechtsprechung grundsätzlich auch nicht der Hinweis auf eine betriebsübliche Nutzung der neuen Technologien oder das technische Ausstattungsniveau des Betriebs.
Aus der Üblichkeit einer betrieblichen Nutzung folgte dem BAG zufolge nämlich noch nicht die zwingende Notwendigkeit, dass die entsprechenden Mittel auch dem Betriebsrat zur Verfügung stehen mussten – jedenfalls nicht, solange nicht von einer faktischen Behinderung seiner Arbeit auszugehen war.
Hinsichtlich einer beabsichtigten Internet/Intranet-Nutzung oblag es daher bisher stets dem Betriebs-/Personalrat, nachzuweisen, dass er sein Informationsbedürfnis durch herkömmliche Kommunikationsmittel nicht befriedigen und seine Aufgabe ohne Internet-Nutzung nicht sachgerecht erfüllen kann – ein streng genommen einigermaßen aussichtsloses Unterfangen!
Die neueren Entscheidungen des LAG Schleswig-Holstein haben in diesem Punkt etwas Klarheit gebracht, indem sie dem tatsächlichen aktuellen Stellenwert des Internet in der Praxis Rechnung tragen.
Das Gericht hat damit die in der arbeitsrechtlichen Literatur mittlerweile überwiegend vertretene Sichtweise bestätigt, nach der an die Erforderlichkeitsprüfung für moderne Informations- und Kommunikationsmittel keine höheren Anforderungen zu stellen sind, als sie für herkömmliche ›banale‹ Sachmittel wie Papier oder auch Telefon gelten.
Es dürfte damit künftig nicht mehr ohne weiteres möglich sein, einen Betriebsrat auf ›vorsintflutliche‹ Mittel zu verweisen, denn mit der neuen BAG-Entscheidung ist es zu einer Änderung in der Bewertung der ›Üblichkeit‹ des Kommunikationsmittels Internet gekommen:
»Das Internet hat sich in jüngster Zeit zu einem selbstverständlichen Arbeitsmittel für alle diejenigen entwickelt, die auf Informationen angewiesen sind. [… Es] ist in seiner Aktualität den Fachzeitschriften weit überlegen und gibt außerdem dem Anwender die Möglichkeit, sich zu einer bestimmten Sachfrage einen umfassenden Meinungsstand einzuholen. […] Angesichts dieser technischen Entwicklung und dem entsprechenden Ausstattungsniveau im Betrieb kann der Betriebsrat nicht ggf. als einziger darauf verwiesen werden, sich in Zeitschriften und Kommentaren die erforderlichen Fachinformationen zu holen.«
Der in Umkehrung des bisherigen BAG-Standpunkts gefundene Grundsatz lautet demnach: Dort, wo das Internet ständig als betriebsübliches Arbeitsmittel eingesetzt wird, ist es im Sinne des § 40 BetrVG regelmäßig erforderlich, auch dem Betriebsrat einen Internet-Anschluss zur Verfügung zu stellen. Bedeutsame Gründe, warum dies im Einzelfall tatsächlich nicht so sein soll, müssen von nun an vom Arbeitgeber vorgebracht werden.
Es wäre letztlich auch ein wenig kurios, wenn ausgerechnet das BAG, das inzwischen selbst in lobenswerter Weise eine laufend aktualisierte Website als Publikationsmedium nutzt (auf der insbesondere Entscheidungen des Gerichts im Volltext bedeutend schneller zugänglich sind, als in den einschlägigen Fachpublikationen), ausgerechnet einer ihrer ›Hauptzielgruppen‹ die Notwendigkeit einer regelmäßigen Internet-Nutzung absprechen wollte!
Dennoch stellen die Gerichte dem Betriebs-/Personalrat keinen ›Blankoscheck‹ aus.
Erforderlichkeit und Angemessenheit sind also regelmäßig auf das konkrete technische Ausstattungsniveau des Betriebs zu beziehen, die eventuell auch ein limitierender Faktor sein kann:
Dort, wo PC-Nutzung und Online-Kommunikation bislang keine Rolle spielen, eröffnet auch die neue BAG-Entscheidung keinen plötzlichen Anspruch des Betrieb-/Personalrats auf moderne Technik – und sei deren Nutzung allgemein noch so üblich.
Andererseits hat der Betriebs-/Personalrat hinsichtlich der Frage, welches von mehreren möglichen Kommunikationsmedien er nutzen will, einen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur daraufhin zu überprüfen ist, ob die verlangte Ausstattung in der konkreten betrieblichen Situation der Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben dient und ob der Betriebsrat bei seiner Entscheidung neben den Interessen der Beschäftigten auch berechtigte Interessen des Arbeitgebers hinreichend berücksichtigt hat .
Dieses Ermessen bezieht sich – so das LAG Schleswig-Holstein jetzt ausdrücklich – insbesondere auch auf das Kriterium der Erforderlichkeit, bei dessen Bewertung durch den Betriebsrat auch die bessere Effizienz moderner Kommunikationsmittel gegenüber konventionellen Medien berücksichtigt werden darf. Eine hierauf gestützte Entscheidung des Betriebsrats ist daher zu tolerieren.
Ein wesentlicher Beurteilungspunkt im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung sind immer die Kosten oder auch der zusätzliche Aufwand, den eine Internet-Nutzung verursacht. Im konkreten Fall hat das LAG Schleswig-Holstein – ebenso wie das BAG – deutlich gemacht, dass durch die begehrte Nutzung keine zusätzlichen Kosten entstehen und dass auch sonst keine vom Gericht zu berücksichtigenden Interessen des Arbeitgebers zu erkennen waren, die gegen eine Internet-Nutzung durch den Betriebsrat gesprochen hätten.
Die hier ausgeführten Grundsätze gelten entsprechend auch, wenn es nicht um die Informationsbeschaffung, sondern um die Informationsvermittlung durch den Betriebs-/Personalrat geht.
Wo bereits ein innerbetriebliches Internet-gestütztes Online-Kommunikationssystem (also ein Intranet) besteht, hat der Betriebs-/Personalrat Anspruch auf Nutzung auch dieses Systems, was insbesondere die Möglichkeit einschließt, in einem eigenverantworteten Bereich (eigene Homepage/Website) selbstständig Beiträge zu veröffentlichen und so die Gesamtheit der Belegschaft über seine Tätigkeit zu informieren.
Auch in einem anderen wichtigen Punkt, der unmittelbar mit der Intranet-Nutzung zusammenhängt, haben die jüngsten Entscheidungen eine Klarstellung gebracht:
Beiträge, die der Betriebsrat in seinen Intranet-Bereich eingestellt hat, dürfen durch den Arbeitgeber nicht eigenmächtig gelöscht oder gesperrt werden – das grundgesetzliche Zensurverbot gilt auch im Betrieb. Etwaige kritische Äußerungen, die der Betriebsrat im Rahmen seines gesetzlichen Aufgabenbereichs veröffentlicht, sind hinzunehmen, kommt es zu Überschreitungen, sind diese mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln zu unterbinden, nicht durch technische Selbsthilfe.
Aus den aktuellen Entscheidungen folgt allerdings nicht – das ist ebenfalls ausdrücklich zu betonen – dass der Betriebs-/Personalrat ein Recht auf eine eigene Website im öffentlichen Internet (World Wide Web) hat.
Es gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebs- oder Personalrats, die Öffentlichkeit über sein Wirken zu informieren. Im Gegenteil: Es wird regelmäßig einen Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit darstellen, wenn ein Betriebs-/Personalrat betriebliche Interna auf einer allgemein zugänglichen Internet-Seite veröffentlicht oder wenn dort von ihm innerbetriebliche, kontroverse Standpunkte diskutiert werden.
Selbstverständlich ist es zulässig (und mittlerweile auch weit verbreitet), dass Betriebs- und Personalräte im World Wide Web mit eigenen, öffentlich zugänglichen Seiten vertreten sind. Diese Angebote müssen aber neben den allgemeinen gesetzlichen Anforderungen insbesondere den speziellen Vertraulichkeitspflichten des Betriebs-/Personalrats gegenüber Kollegen und Arbeitgeber Rechnung tragen.
Ein Betriebs-/Personalrat, der einen solchen öffentlich zugänglichen Auftritt realisieren will, sollte also tunlichst vorher schon über dessen nähere Umstände Einvernehmen mit dem Arbeitgeber herstellen. Denn der ist weder verpflichtet, seinen Server für die weltweite Veröffentlichung von Betriebs- / Personalrats-Informationen zur Verfügung zu stellen, noch die Kosten dafür zu übernehmen.