Für einen Fachbeitrag von Julia Müller, der in der Online-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „impulse“ erschienen ist, habe ich einige arbeitsrechtliche Fragen zum Thema „Zielvereinbarungen“ beantwortet:
Können Arbeitgeber Zielvereinbarungen einseitig widerrufen?
Zielvereinbarungen stellen in aller Regel einen festen Lohnbestandteil des Arbeitnehmers dar und können nur unter bestimmten Umständen einseitig widerrufen werden. Mögliche Gründe für einen Widerruf müssen laut Jan A. Strunk, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Flensburg, im Arbeitsvertrag klar benannt werden, etwa die wirtschaftliche Lage oder das Verhalten des Mitarbeiters.
Hinzu komme, dass der Arbeitnehmer bei einem Widerruf nicht unangemessen benachteiligt werden dürfe. „Es darf kein großer Anteil des Gehaltes betroffen sein“, so Strunk. „Der widerrufliche Teil darf nicht über 25 Prozent des Gesamtverdienstes liegen“, so der Arbeitsrechtler. Bekommt ein Mitarbeiter beispielsweise ein reguläres Gehalt von 50.000 Euro im Jahr und seine Zielerreichungsprämie würde bei 15.000 Euro liegen, wäre ein Widerruf nicht durchsetzbar
Was wie sieht es mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt aus?
Eine Prämienzahlung kann dem Arbeitnehmer auch dann zustehen, wenn sie als freiwillige Leistung deklariert wurde. Denn das Bundesarbeitsgericht steht Freiwilligkeitsvorbehalten in Zielvereinbarungen skeptisch gegenüber. Grund dafür ist, dass die Richter einen Widerspruch darin sehen, dem Arbeitnehmer einerseits einen Anspruch bei Erreichung eines bestimmten Ziels zuzusagen, diese Zusage aber gleichzeitig unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen (BAG, Urteil vom 24.10.2007, Az. 10 AZR 825/06).
Hat der Mitarbeiter einen Anspruch auf Zahlung der Zielerreichungsprämie, wenn er seine Ziele erreicht?
Ja. „Es handelt sich schließlich in der Regel um einen Vertragsbestandteil“, so Strunk.
Was, wenn sich die beiden Parteien nicht einig sind, ob die Ziele tatsächlich erreicht wurden?
„Das kann im Streitfall häufiger vor Gericht landen“, so der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Insbesondere bei weichen Zielen, die sich nicht anhand von Kennzahlen messen ließen, könne es durchaus zu unterschiedlichen Wahrnehmungen kommen. Strunk sieht in so einem Fall auch den Arbeitnehmer in der Pflicht: „Ich würde Mitarbeitern empfehlen, sich auch über das Jahr verteilt Feedback zu holen und nach möglichen Kritikpunkten zu fragen – dann gibt es im Jahresabschlussgespräch nicht die große Überraschung.“ Gleichzeitig sei es natürlich wichtig, die Zielvereinbarungen so konkret zu formulieren, dass sie möglichst nachvollzieh- und messbar sind.
Was passiert, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Ziele vereinbaren – dies aber vertraglich festgelegt war?
„Das kann für Arbeitgeber eine böse Falle sein“, so Rechtsanwalt Strunk. Bei einer unterlassenen Zielfestlegung könne der Arbeitnehmer möglicherweise Anspruch auf Schadensersatz haben. Laut Strunk entscheiden die Gerichte in so einem Fall arbeitnehmerfreundlich: Wenn der Arbeitgeber es nicht widerlegen kann, gehen sie davon aus, dass der Arbeitnehmer sein Ziel zu 100 Prozent erreicht hätte. Das kann für den Arbeitgeber besonders ärgerlich sein, wenn der Mitarbeiter in dem entsprechenden Zeitraum keine gute Leistung erbracht hat. Strunk empfiehlt Arbeitgebern deshalb, frühzeitig die Initiative zu ergreifen und insbesondere auch etwaige fehlende Mitwirkung des Arbeitnehmers zu dokumentieren.
Sind Zielvereinbarungen mitbestimmungspflichtig?
Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat und sind die Zielvereinbarungen eine allgemeine Vergütungsregel für alle Mitarbeiter, so sind sie mitbestimmungspflichtig, das heißt, der Betriebsrat muss hinzugezogen werden. „Dies gilt insbesondere, wenn Zielvereinbarungen ein für alle geltendes Bonussystem in Bezug nehmen. Da ein solches System zu den Entlohnungsgrundsätzen zählt, ist auch seine Ausgestaltung mitbestimmungspflichtig“, so der Arbeitsrechtler. Der Einsatz von Zielvereinbarungen wird dann meistens durch eine Betriebsvereinbarung geregelt.
Anders ist es laut Strunk, wenn Zielvereinbarungen einzelvertraglich und individuell lediglich mit einzelnen Mitarbeitern vereinbart werden, etwa nur mit Führungskräften mit AT-Vertrag. Dann ist eine Mitbestimmung in der Regel nicht notwendig.
[Quelle: https://www.impulse.de/management/personalfuehrung/zielvereinbarungen/2179161.html]