Seit Inkrafttreten der DSGVO ist umstritten, ob die seit geraumer Zeit durchaus gängige Werbe-Praxis, beispielsweise die Teilnahme an einem Gewinnspiel von der Einwilligung der Teilnehmer in zukünftige E-Mail-Werbung abhängig zu machen, noch (datenschutz)rechtskonform ist.
Das OLG Frankfurt a.M. hat nun befunden, dass der Deal „Daten gegen Leistung“ jedenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden ist – auch wenn es im konkreten Fall gegen das werbende Unternehmen entschieden hat.
Dies lag letztlich daran, dass das beklagte Energieunternehmen die tatsächliche Einwilligung einer angerufenen Kundin nicht nachweisen konnte.
Die Ausführungen des Gerichts zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer Werbeeinwilligung, die an die Zustimmung zur telefonischen Kontaktaufnahme geknüpft ist, sind jedoch eindeutig:
Aus den Gründen:
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 I, III Nr. 1, 7 I 2, II UWG, da die Antragsgegnerin nicht glaubhaft machen konnte, dass für den Werbeanruf bei der Kundin B am 24.08.2018 eine hinreichende Einwilligung vorlag.
a) Die Antragsgegnerin trägt die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für eine wirksame Einwilligung im Sinne von § 7 II UWG; für den Nachweis der Einwilligung ist deren vollständige Dokumentation erforderlich. Bei einer elektronisch übermittelten Einwilligung bedarf es dazu der Speicherung und der jederzeitigen Möglichkeit des Ausdrucks (BGH WRP 2011, 1153, Rn. 31 – Double-opt-in-Verfahren). Anlass für die Annahme einer sekundären Darlegungslast oder anderer Beweiserleichterungen für die Antragsgegnerin besteht nicht (BGH NJW-RR 2014, 423).
b) Die in Anlage AG 1 vorgelegte Einwilligung wäre zwar wirksam.
(1) Die Zustimmung zur Telefonwerbung ist richtlinienkonform am Maßstab des europäischen Datenschutzrechts auszulegen. Dabei ist auf die am 25.05.2018 in Kraft getretene DS-GVO abzustellen, da die behauptete Zustimmungserklärung zwar am 04.01.2018 (und damit vor Inkrafttreten der DS-GVO) erfolgt sein soll, der Anruf jedoch am 24.04.2018 (und damit nach Inkrafttreten) erfolgt ist. Abzustellen ist auf das Datum des Werbeanrufs; dieser ist nur erlaubt, wenn die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Anrufs erfüllt sind, also die Einwilligung den Anforderungen der DSGVO entspricht.
(2) Die Einwilligung ist auch freiwillig erfolgt. Nach der Definition in Art. 4 Nr. 11 DS-GVO ist eine Einwilligung der betroffenen Person „jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutig bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“.
„Freiwillig“ ist gleichbedeutend mit „ohne Zwang“ iSd des Art. 2 lit. h RL 95/46/EG (engl. beide Male „freely“). Der Betroffene muss also eine echte oder freie Wahl haben und somit in der Lage sein, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden (Erwägungsgrund 42 DS-GVO). Insbesondere darf auf den Betroffenen kein Druck ausgeübt werden. Ein bloßes Anlocken durch Versprechen einer Vergünstigung, etwa – wie hier – einer Teilnahme an einem Gewinnspiel, reicht dafür aber nicht aus (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 7 Rn. 149f). Einer Freiwilligkeit steht nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. GRUR-RR 2016, 421 – Überschaubare Partnerliste, juris-Rn. 18; GRUR-RR 2016, 252 – Partnerliste, juris-Rn. 24) nicht entgegen, dass die Einwilligungserklärung mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel verknüpft ist. Der Verbraucher kann und muss selbst entscheiden, ob ihm die Teilnahme die Preisgabe seiner Daten „wert“ ist.
(3) Die Einwilligung ist auch „für den bestimmten Fall“ erteilt worden; dies ist gleichbedeutend mit „im konkreten Fall“ iSd Art. 2 lit. h RL 95/46/EG (engl. beide Male „specific“). Eine Einwilligung erfüllt diese Voraussetzung, wenn sich aus ihr klar ergibt, welche einzelnen Werbemaßnahmen welcher Unternehmen davon erfasst werden, dh auf welche Waren oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie sich bezieht (BGH GRUR 2013, 531 Rn. 24 – Einwilligung in Werbeanrufe II; BGH WRP 2017, 700 Rn. 25). Unabhängig von einer etwaigen AGB-Kontrolle ist eine Einwilligungserklärung unwirksam, wenn sie nicht klar erkennen lässt, auf welche Werbemaßnahmen welcher Unternehmen sich die Einwilligung erstrecken soll (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 7 Rnr. 149g).
An der erforderlichen Klarheit kann es fehlen, wenn bereits die Anzahl der Unternehmen, zu deren Gunsten eine Werbeeinwilligung erteilt werden soll, so groß ist, dass sich der Verbraucher realistischer Weise nicht mit all diesen Unternehmen und deren Geschäftsfeldern befassen wird (vgl. Senat – Partnerliste a.a.O., Rn. 26: 59 Unternehmen). Davon kann hier jedoch angesichts der acht in der Einwilligungserklärung aufgeführten Unternehmen noch nicht die Rede sein.
Was den Produktbezug angeht, so reichen vom Werbenden vorformulierte allgemeine Umschreibungen, etwa dahin, dass sich die Einwilligung auf „Finanzdienstleistungen aller Art“ erstreckt, nicht aus (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 7 Rn. 186). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Angabe in der Einwilligungserklärung zum Unternehmen der Antragsgegnerin („Strom & Gas“) allerdings nicht zu beanstanden. Demgegenüber bestehen zwar Zweifel, ob die Einwilligung zugunsten des Unternehmens „X Ltd.“ wirksam ist, da die Angabe zu diesem Unternehmen („Marketing und Werbung“) nicht erkennen lässt, für welche Art von Produkten die Einwilligung in die Werbung erteilt wurde. Dies berührt die Wirksamkeit der sachlich hinreichend konkretisierten Einwilligung zugunsten der Antragsgegnerin jedoch nicht. Insofern hat die fehlende Erkennbarkeit für ein Unternehmen nicht zur Folge, dass die gesamte Zustimmungserklärung „infiziert“ ist und auch hinsichtlich der übrigen Unternehmen unwirksam ist.
Das dort verwendete Double-opt-in-Verfahren findet hauptsächlich bei Online-Gewinnspielen Anwendung. Der Teilnehmer kann oder soll zusammen mit seiner elektronischen Teilnahmeerklärung seine Kontaktdaten, einschließlich der E-Mail-Adresse und der Telefonnummer, angeben und sein Einverständnis mit einer Telefonwerbung durch Markieren eines dafür vorgesehenen Felds in dem betreffenden Teilnahmeformular erklären. Hat er dies getan, so wird er durch eine E-Mail oder – wie hier – durch einen Anruf um Bestätigung seines Teilnahmewunsches gebeten. Der BGH (WRP 2011, 1153 Rn. 39 f. – Double-opt-in-Verfahren) sieht eine derartige elektronische Double-opt-in-Erklärung, soweit es die Telefonwerbung betrifft, als wenig beweiskräftig an. Denn es bestehe kein notwendiger Zusammenhang zwischen der angegebenen E-Mail-Adresse und der angegebenen Telefonnummer. Es gebe zahlreiche, nicht fernliegende Gründe für die Eintragung einer falschen Telefonnummer. Der Werbende trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Telefonanschluss der E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung abgesandt wurde, zuzuordnen sei. Hat der Werbende allerdings seiner Darlegungslast genügt, obliegt es wieder dem Verbraucher darzulegen, dass er dennoch kein Einverständnis mit Werbeanrufen erklärt habe (BGH WRP 2011, 1153 Rn. 40 – Double-opt-in-Verfahren).
Zwar könnten hier die Adressen aus dem Telefonbuch ermittelbar sein und evtl. auch die Telefonnummer, die email-Adresse hingegen nicht, so dass der Datensatz in Anlage AG 1 in der Kombination eine Vielzahl von von Informationen enthält. Je mehr persönliche Daten die Antragsgegnerin hat, desto eher könnten diese nur von der Zeugin stammen. Allerdings ist auch gerichtsbekannt, dass komplette Adressdatensätze in erheblichem Umfang gehandelt werden, so dass dem Umfang der Daten kein erhöhter Indizwert zukommt.
Hinzu kommt, dass keinerlei Vortrag dazu existiert, wie der Ausdruck in Anlage AG 1 zustande gekommen ist bzw. auf welchem technischen Weg die Daten ihren Weg von der Zeugin B zum datenspeichernden Unternehmen gefunden haben wollen und in welcher Weise diese Vorgänge dokumentiert werden. Diese Vorgänge sind nicht vorgetragen und eidesstattlich versichert.
3.) Antrag 2: Anruf ohne Hinweis auf D und Wechsel
Der Unterlassungsanspruch zu 2.) ergibt sich aus §§ 8 I, III Nr. 1, 3a UWG i.V.m. § 312a I BGB.
a) Wie der BGH zuletzt in der Entscheidung „Namensangabe“ entschieden hat, ist § 312a I BGB eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (BGH GRUR 2018, 950, Rnr. 11). Die Antragsgegnerin bzw. ihr Beauftragter hat hier unlauter gehandelt, da der Werber A nicht zu Beginn des Gesprächs die Identität der Antragsgegnerin angegeben hat. Informiert werden muss im Bereich des Telefonmarketings über die Identität der Person, „für die“ angerufen wird. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist dies hier nicht die „Y GmbH“ Z GmbH, mit der sie eine Vertriebsvereinbarung abgeschlossen hat (Anlage AG 5, Bl. 248 ff.). Die Z GmbH sollte danach als selbständige Handelsvertreterin i.S.v. § 84 I HGB tätig sein und Geschäftsabschlüsse zwischen der Antragsgegnerin und Kunden vermitteln. Die Z war daher hier nicht als Energiedienstleisterin oder -maklerin tätig, sondern ständig betraut mit der Vermittlung. Sie stand als Handelsvertreterin – im Gegensatz zur Antragsgegnerin – nicht in Vertragsbeziehungen zum Kunden, sondern nur zum Auftraggeber, der Antragsgegnerin. In dieser Situation hätte die Identität der Antragsgegnerin angegeben werden müssen.
Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, der Werber habe angegeben, „vom Stromanbieter“ zu sein; die Zeugin B hat dies in ihrer eidesstattlichen Versicherung bestätigt. Der Zeuge A hat in seiner eidesstattlichen Versicherung den Vortrag der Antragsgegnerin bestätigt, er habe an das konkrete Gespräch keine Erinnerung; er erkläre immer, dass er „vom Energiedienstleister“ sei. Dies ist aber keinesfalls ausreichend, da ein konkretes Unternehmen nicht benannt wird. Auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist damit unstreitig, dass nicht darüber aufgeklärt wurde, dass für die Antragsgegnerin angerufen wurde; es wurde nicht mal der genaue Name des „Energiedienstleisters“ genannt.
b) Auch der geschäftliche Zweck (Wechsel des Stromanbieters) wurde entgegen § 312a I BGB nicht offengelegt. Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Werber habe erklärt, er sei von der C bzw. vom Stromanbieter, was die Antragsgegnerin – unterstützt durch die eidesstattliche Versicherung A – bestritten hat. Nicht vorgetragen hat die Antraggegnerin jedoch, dass der Werber zu Beginn des Gesprächs angegeben habe, für die Antragsgegnerin wegen eines Wechsels des Stromanbieters anzurufen. Dies wäre aber erforderlich gewesen.
4.) Antrag 3a) Wahrheitswidriger Hinweis auf die Antragstellerin
Zu Recht hat das Landgericht auch den Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Antrags zu 3a) aus §§ 8 I, III Nr. 1, 5 I 2 Nr. 3 UWG bejaht.
a) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass der im Auftrag der Antragsgegnerin tätige Werber A der Zeugin B wahrheitswidrig suggeriert hat, er rufe im Auftrag der Antragstellerin an.
b) Dieses Verhalten des Werbers A ist nach §§ 5 I 2 Nr. 3 UWG unlauter. Der Werber hat damit über die Person des Unternehmens in einer Weise getäuscht, die auch offensichtlich geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Diese liegt hier bereits darin begründet, dass die Zeugin das Telefonat überhaupt fortgeführt hat.
(OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 27.06.2019 – Az.: 6 U 6/19)