[Beitrag in „COMPUTER UND ARBEIT“ – Fachzeitschrift für Betriebs- und Personalräte zu EDV-Einsatz, Mitbestimmung und Datenschutz – Oktober 2004]
Jan A. Strunk
IKT-Rechtsprechung: OLG Köln, Urteil vom 19.12.2003
Nicht allein der Abgebildete muss vor einer Veröffentlichung im Internet seine Einwilligung geben, sondern unter bestimmten Umständen auch der Fotograf.
Also: Passfoto zücken und ab damit ins Internet, das kann ein Problem werden.
DAS OBERLANDESGERICHT (OLG) Köln hat Ende letzten Jahres in einer Berufungsentscheidung einem Fotografen Recht gegeben, der die Verwendung von ihm angefertigter Portrait-Fotos im Internet beanstandet hatte. Er hatte für eine Verlagsanstalt zu repräsentativen Zwecken eine Vielzahl von Fotografien angefertigt, die unter anderem den Geschäftsführer eines anderen Unternehmens zeigten. Einen der ihr überlassenen Papierabzüge hatte dieses Unternehmen danach für verschiedene Internet-Auftritte verwendet.
Das Gericht bestätigte damit die Vorinstanz, die einen Unterlassungs- sowie einen Schadensersatzanspruch des Fotografen bejaht hatte.
Zum rechtlichen Hintergrund:
DAS EINSTELLEN EINES Fotos in eine Internet-Seite stellt regelmäßig eine Vervielfältigung und Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Lichtbilds dar.
Zudem greift eine solche Handlung in das ausschließlich dem Urheber zustehende sogenannte Recht der öffentlichen Wiedergabe ein. Dementsprechend bedarf es hierzu stets der Einwilligung des Urhebers, also in der Regel des Fotografen. Fehlt es hieran, begründet dies einen Unterlassungsanspruch sowie grundsätzlich auch einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verwender des Bilds.
Im zu entscheidenden Fall hatte sich die beklagte Firma allerdings auf den Standpunkt gestellt, sie sei gemäß § 60 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) zu einer genehmigungsfreien Nutzung berechtigt.
Diese Vorschrift erlaubt „die Vervielfältigung sowie die unentgeltliche und nicht zu gewerblichen Zwecken vorgenommene Verbreitung eines Bildnisses durch den Besteller des Bildnisses […] oder bei einem auf Bestellung geschaffenen Bildnis durch den Abgebildeten […] oder durch einen im Auftrag […] handelnden Dritten.“ (Inzwischen lautet diese Vorschrift etwas anders, diese Fassung ist jedoch diejenige, die der Entscheidung des Rechtsstreits zugrunde zu legen war.)
Das beklagte Unternehmen argumentierte auf dieser Grundlage: Zwar sei nicht sie der Abgebildete, gleichwohl falle die Veröffentlichung des Bildes unter diese Vorschrift, weil der Abgebildete ihr Geschäftsführer sei, der bei typischer Bürotätigkeit an seinem Arbeitsplatz und deswegen nicht als Privatperson, sondern bewusst als ihr gesetzlicher Vertreter abgelichtet worden sei. Im Übrigen müssten sowohl der Besteller (die Verlagsanstalt) als auch der Abgebildete in der Lage sein, ihr Recht auf unentgeltliche Veröffentlichung auf einen Dritten zu übertragen.
Das OLG Köln ist dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt. Die Richter waren der Meinung, dass der § 60 UrhG dem Besteller eines Bildes oder dem Abgebildeten selber nur in einem sehr persönlichen Sinn das Recht einräumen will, Bilder von sich zu vervielfältigen und unentgeltlich an Dritte weiterzugeben.
An einer darüber hinausgehenden öffentlichen Wiedergabe eines Bildes bestehe jedoch kein schützenswertes und gegenüber den Nutzungsrechten des Urhebers (also des Fotografen) vorrangiges Erinnerungsinteresse.
Da die Firma den Auftrag für die Porträt-Fotos nicht selbst erteilt hatte, war sie zudem nicht als Bestellerin anzusehen. Die Tatsache, dass die Bilder in ihrem Interesse angefertigt worden seien, reiche hierfür allein nicht aus, so das Gericht.
Auch unter dem Aspekt des Abgebildeten könne sich das Unternehmen nicht auf § 6o UrhG berufen, da das geschützte persönliche Interesse am eigenen Bild nur natürlichen, nicht jedoch auch juristischen Personen zustehen könne.
Der abgebildete Geschäftsführer selber hätte sich also grundsätzlich auf die Vorschrift berufen können, aber die konkrete Nutzung der Bilder hätte dann persönlichen Zwecken dienen müssen, was im Falle der Veröffentlichung im Internet durch und ausschließlich für das Unternehmen nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall war.
Was folgt aus dieser Entscheidung?
DASS ES BEI DER Veröffentlichung von Portrait-Abbildungen zur Vermeidung rechtlicher Probleme regelmäßig der vorherigen (!) Einwilligung der betroffenen Personen bedarf, dürfte mittlerweile einigermaßen bekannt sein.
Die Gerichtsentscheidung aus Köln macht nun auf einen Umstand aufmerksam, der im Bewusstsein von vielen Online-Redakteuren weniger verankert sein dürfte:
Auch bei der Veröffentlichung von Personenabbildungen im Internet geht es fast immer um Rechte mehrerer Beteiligter. Außer dem Persönlichkeitsrecht der/des Abgebildeten sind regelmäßig auch die urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte des Fotografen zu beachten.
Im Normalfall genügt also das Einverständnis der fotografierten Person allein nicht. Denn – insoweit hat sich das Gericht unmissverständlich ausgedrückt – aus dem Recht des Abgebildeten, das Bild persönlich zu verbreiten und zu vervielfältigen, folgt nicht automatisch auch das Recht zur Veröffentlichung im Internet.
Die Bezahlung des Fotografen für die Bildabzüge berechtigt zwar möglicherweise noch zur Digitalisierung (Scannen) des Bildes etwa für eine private Foto-CD oder als Sicherheitskopie für einen etwaigen späteren Ausdruck. Der Einstellen dieser Datei auf einen öffentlich zugänglichen Server ist jedoch rechtswidrig, da diese Form der Nutzung nicht automatisch mit abgegolten ist.
Da der Gesetzgeber im Zuge der letztjährigen Reform des Urheberrechtsgesetzes in – zugegebenermaßen etwas schwer verständlicher Form – die Internet-Nutzung ausdrücklich als eine neue Nutzungsart anerkannt und dem Recht der öffentlichen Wiedergabe zugeordnet hat, andererseits § 60 UrhG nach wie vor lediglich das gleichsam private Verbreiten und Vervielfältigen zulässt, ist hier auch kein Interpretationsspielraum mehr, zumal noch das zusätzliche Erfordernis einer „nicht gewerblichen Nutzung“ hinzugetreten ist.
Auch hieran wird deutlich, wie eng einschränkend die Vorschrift gedacht ist. Entsprechend wird sie von den Gerichten weiterhin gehandhabt werden.
Eine „öffentliche Wiedergabe“ liegt übrigens nicht nur dann vor, wenn es um eine Internet-Seite geht. Gemäß § 15 Abs. 3 UrhG gehört zur Öffentlichkeit „jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist“.
Damit ist auch das betriebs-/dienststelleninterne Intranet grundsätzlich „öffentlich“.
Dort, wo es nicht um die gezielte Abbildung einzelner Personen, sondern beispielsweise um ein Bild des Firmengebäudes oder eine Landschaftsaufnahme geht, greift die Ausnahmevorschrift des § 60 UrhG ohnehin nicht.
Hier ist bereits die Vervielfältigung oder Verbreitung des Bildes ohne Einwilligung des Urhebers unzulässig – erst recht natürlich die öffentliche Wiedergabe.
Wer in rechtlicher Hinsicht sicher gehen will, muss die Absicht einer Online-Veröffentlichung also bereits im Vorfeld der Bild-Anfertigung mit dem Fotografen regeln. Wo dies nicht mehr möglich ist, sollte man zumindest vor der Veröffentlichung schriftlich beim Urheber anfragen, ob (und zu welchen Konditionen) er einer Online-Nutzung zustimmt.
Wer die hierdurch eventuell zuerwartenden zusätzlichen Kosten scheut, sollte ausschließlich auf selbst angefertigtes Bildmaterial zurückgreifen, was in Zeiten hochleistungsfähiger Digitalkameras für den vorgesehenen Zweck einigermaßen unaufwändig zu bewerkstelligen sein sollte.
Übrigens: Automatenfotos können allein aufgrund der Zustimmung des Abgebildeten unproblematisch benutzt werden, denn in diesem Fall ist der Fotografierte normalerweise zugleich auch der Fotograf.
Aber wer bewirbt sich schon mit Automaten-Bildern – und wird dann auch noch eingestellt …?!