Zulässigkeit und Umfang eines Antrags auf Auskunft über Bestands- und Nutzungsdaten

Eine Auskunftserteilung durch den Dienstanbieter ist nach § 14 Abs. 3, § 15 Abs. 5 S. 4 TMG i.V.m. § 1 Abs. 3 NetzDG zulässig, soweit sich die Auskunft auf die Bestands- und Nutzungsdaten beschränkt und zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die unter anderem von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst sind, erforderlich ist.

Aus den Gründen:

I.Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der IT-Branche mit derzeit etwa 25 Mitarbeitern. Die Beteiligte betreibt unter der im Tenor genannten Domain ein Internetportal zur Bewertung von Arbeitgebern.

In diesem Portal wurden unter der Verfasserbezeichnung „Mitarbeiter“ zwei negative Bewertungen betreffend die Antragstellerin abgegeben. In einer Bewertung vom 2. Mai … war in der Überschrift unter anderem angegeben: „Gehalt kommt nicht pünktlich, Telefone gesperrt wegen offener Rechnungen“. Als „Verbesserungsvorschlag“ wurde dort unter anderem ausgeführt: „Pünktliche Gehaltszahlungen anstreben“. In einer Bewertung vom 23. Oktober … wurde unter der Überschrift „Arbeitsatmosphäre“ angegeben, man sei nicht informiert worden, dass man den Monat sein Gehalt nicht bekomme; Fairness gebe es nicht, da einige Angestellte Gehalt bekämen und andere nicht. Unter dem Stichwort „Vorgesetztenverhalten“ war angegeben „Mobbing bei Kündigung“. Unter dem Stichpunkt „Gehalt/Sozialleistungen“ wurde ausgeführt, man habe zeitweise gar kein Geld bekommen und als man das Gespräch suchte, habe es nur 10 % vom Gehalt gegeben. In der Zusammenfassung unter dem Stichwort „contra“ war unter anderem angegeben: „kein pünktliches Gehalt, zeitweise gar kein Gehalt“ und „betriebliche Rentenversicherung abgezogen aber nicht an die Versicherung gegeben“.

Die Antragstellerin ist in Unkenntnis über die Person des Verfassers dieser Beiträge. Sie begehrt gegenüber der Beteiligten Auskunft hierüber und beantragt im vorliegenden Verfahren, der Beteiligten diese Auskunftserteilung zu gestatten. Die behauptete Tatsache, sie habe Mitarbeitergehälter nicht rechtzeitig gezahlt bzw. nicht gezahlt, sei unwahr. Das Gehalt der Mitarbeiter sei regelmäßig und pünktlich gezahlt worden.

Sie hat insoweit in erster Instanz beantragt,

der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Bestands- und Nutzungsdaten zu der auf der Plattform www…..de bestehenden Bewertungen vom 23. Oktober … und 2. Mai …, die zu der Antragstellerin als Arbeitgeberinnen abgegeben wurden, abrufbar unter der URL: https://….com/de/…, durch Angabe folgender gespeicherter Daten: IP-Adressen, die von dem Nutzer zur Abgabe der Bewertungen gespeichert wurden, nebst genauen Zeitpunkt des Hochladens unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone, Name des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers.

Die Beteiligte verweigert die Auskunftserteilung, um durch die Gewährung von Anonymität die Bereitschaft zur freien Äußerung über den jeweiligen Arbeitgeber zu fördern. Die streitgegenständlichen Äußerungen überschritten nicht die Schwelle der strafbaren Ehrverletzung. Zudem genüge die reine Behauptung der Unrichtigkeit der Tatsachenäußerungen nicht.

[…].

Der Antragstellerin steht […] ein Auskunftsanspruch betreffend die personenbezogenen Daten des Nutzers gegen den Diensteanbieter aus § 242 BGB zu, was im Verfahren nach § 14 Abs. 4 TMG implizit zu prüfen ist. […].

Der Beteiligten ist schließlich eine Auskunftserteilung betreffend die Bewertung vom 23. Oktober … in dem beantragten Umfang zu gestatten. Dass sich die zulässigerweise zu erteilende Auskunft auf Bestandsdaten bezieht, folgt unmittelbar aus § 14 TMG. Aufgrund der Verweisung in § 15 Abs. 5 S. 4 TMG umfasst sie auch Nutzungsdaten, insbesondere IP-Adressen sowie den Zeitpunkt des Hochladens der Bewertung. Ob in unionsrechtskonformer Auslegung dieser Bestimmungen eine Zulassung der Auskunft über diese Nutzungsdaten eine Abwägung der im konkreten Einzelfall
einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen erfordert, kann offenbleiben. Diese Abwägung wäre hier zu Gunsten einer Offenlegung dieser Daten vorzunehmen, weil die infrage stehende Äußerung auch unter Berücksichtigung ihrer sich aus der Anzahl der Profilaufrufe ergebenden Verbreitung in erheblicher Weise geeignet ist, wirtschaftliche Interessen der Antragstellerin zu gefährden, weil sie naheliegend Interessenten davon abhalten kann, sich als Arbeitnehmer bei der Antragstellerin zu bewerben. Dahinter steht das Interesse des Nutzers an einem Schutz seiner Daten und seiner Meinungsäußerungsfreiheit zurück.

OLG Celle, Beschluss vom 07.12.2020, 13 W 18/20